Aufgeregt sind sie nicht, wohl aber hoch konzentriert: In der Politik würde man Monika Tjaden und Dr. Christina Patzig wohl als „Durchstarter“ bezeichnen – sie selber bleiben aber ganz entspannt. Im März wurden die beiden engagierten Frauen neu ins Presbyterium gewählt – und am Samstag vertraten sie ihre Kirchengemeinde Welper-Blankenstein bereits auf der Sommersynode des Evangelischen Kirchenkreises. Für Rieke Kiffmeyer hingegen endet nach 16 Jahren die Zeit als Synodale. Sie kam als Diakoniemitarbeiterin aus Witten in das Gremium, und ihre Leidenschaft galt stets besonders dem Frauenreferat im Kirchenkreis und dem Thema Gleichberechtigung.
80 Synodale sind im Evangelischen Kirchenkreis Hattingen-Witten stimmberechtigt – nach den alle vier Jahren stattfindenden Kirchenwahlen konnte die stellvertretende Superintendentin Heike Rienermann jetzt 16 neue Vertreter vereidigen.
Zweimal pro Jahr, jeweils im Sommer und im Herbst, trifft sich die Synode, quasi das Kirchenparlament der 16 Gemeinden in den Städten Hattingen, Sprockhövel, Velbert, Wengern und Witten, um über alle wichtigen Themen, die Finanzen, Strukturen und Inhalte kirchlichen Lebens zu beraten. 80 Synodale sind dabei stimmberechtigt – nach den alle vier Jahren stattfindenden Kirchenwahlen konnte die stellvertretende Superintendentin Heike Rienermann, jetzt 16 neue Vertreter vereidigen. Inhaltlich gab es Abschiede und Wahlen, kritisches Einmischen und deutliches Positionieren, etwa in der Flüchtlingsfrage.
Die Ärztin Dr. Christina Patzig und die Biologisch-Technische Assistentin Monika Tjaden sind zwei der vielen Puzzleteile, die die evangelische Kirche ausmachen, um im Bild des lebendigen und sehr fröhlichen Synodengottesdienstes zu bleiben. „Jedes Teil ist wichtig“, stand über der Predigt – und diese Haltung zog sich durch den kompletten Tag. Haupt-, Ehren- und Nebenamtliche, Pfarrer, Verwaltungsleute, Gemeindepädagogen, Jugendreferenten, Synodale Dienste – sie alle leisten ihren wichtigen Beitrag, um die Aufgaben der Kirche zu schultern. Doch das wird immer schwieriger, wie Heike Rienermann in ihrem Jahresbericht deutlich formulierte. „Ich erlebe viele Kolleginnen und Kollegen, die erschöpft sind“, beschrieb die Theologin einen Alltag, in dem Mitglieder- und Mitarbeiterzahlen sinken, gleichzeitig die Angebote aber aufrechterhalten oder sogar ausgebaut werden sollen. Hinzu kommt, dass 90 Prozent der etwa 50 Theologen deutlich älter als 45 Jahre sind. „Wenn man dann für sich selber sorgen will, hat man gleich ein schlechtes Gewissen den Kollegen gegenüber“, wurde die Pfarrerin auch sehr persönlich. Sie selber vertritt – neben ihrer Pfarrstelle in der fusionierten Gemeinde Bredenscheid-Sprockhövel – als Assessorin seit längerem den erkrankten Superintendenten Ingo Neserke – wofür ihr der KSV und die Synode mit großem Applaus dankten.
Monika Tjaden (links) und Dr. Christina Patzig wurden im März neu ins Presbyterium gewählt – und am Samstag vertraten sie ihre Kirchengemeinde Welper-Blankenstein bereits auf der Sommersynode des Evangelischen Kirchenkreises.
Mehr Personal für die Verwaltung
Die Arbeit wird nicht weniger, neue Aufgaben kommen hinzu – aber es sind über die Jahre weniger Menschen, die die Arbeit tun – das berichtete auch Matthias Küstermann für den Bereich der Verwaltung. Mit der Einführung des Neuen kirchlichen Finanzwesen (NKF) soll die Arbeit zwar langfristig planbarer werden, doch zunächst einmal steht Mehrarbeit an. Ob die gemeinsame Verwaltung personell aufgestockt werden kann, entscheiden die drei Kirchenkreise Hagen, Schwelm und Hattingen-Witten im Gestaltungsraum. Zwei Zustimmungen liegen nach der Synode nun vor, die Entscheidung aus Schwelm steht noch aus. Matthias Küstermann warb eindringlich um Verständnis: „Es geht uns ja nicht darum, eine möglichst große Verwaltung zu haben – sondern darum, die Aufgaben, die uns gestellt werden, möglichst gut zu erledigen.“
170 Menschen arbeiten in den Ausschüssen
In den Gemeinden gibt es zum Glück ja das Ehrenamt – und immer wieder Menschen wie Monika Tjarden, die nicht nur in ihrem Presbyterium die Geschäfte der Gemeinde führen, sondern sich darüber hinaus auch noch in einen der synodalen Ausschüsse einbringen. Mehr als 170 Menschen engagieren sich als beratende Mitglieder in den Ausschüssen und gehen Sach- und Fachfragen des evangelischen Lebens nach. Monika Tjarden etwa wurde auf ihrer ersten Synode in den Ausschuss für Ökumene und Weltverantwortung (MÖWe) gewählt. „Mal sehen, wie das alles so wird, ich freue mich sehr auf die Arbeit, auch wenn es wie ein Sprung ins kalte Wasser ist.“ 14 nicht-ständige Ausschüsse gibt es im Kirchenkreis; in welchem Turnus sie sich treffen, legen die Ausschüsse selber fest.
„Welche Kirche wollen wir eigentlich sein?“
Pfarrer Ulrich Mörchen nahm die Synodalen nach den eher „internen“ Themen dann mit auf eine Gedankenreise in eine der unversöhnlichsten Regionen der Welt: In den Nahen Osten, wo der Konflikt zwischen Israel und Palästina in Gaza und im Westjordanland kein Ende nehmen will. Im Frühjahr gab es in Witten eine hoch gelobte und gut besuchte Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Der Israel-Palästina-Konflikt und das Schweigen der Kirchen“. Der Vorbereitungskreis dieser Veranstaltungsreihe brachte nun einen Synodenantrag ein, um eine Diskussion auf der landeskirchlichen Ebene anzustoßen und fortzuführen. „Die gute Solidarität (Anm.: mit Israel) ist mittlerweile hochproblematisch geworden. Sie hat dazu geführt, dass wir die Augen vor dem Unrecht der israelischen Realpolitik und der daraus folgenden Not der palästinensischen Seite verschließen…“
„Wir möchten zu einen Versöhnungsprozess beitragen“, meldete sich u.a. Oliver Gengenbach, Sprecher der Notfallseelsorge zu Wort. Die Synode verabschiedete nach intensiver, leidenschaftlich geführter Diskussion, ein Fünf-Thesen-Papier. Darin heißt es u.a.: „Wir wollen kein Urteil fällen über Israel. Wir wollen kein Urteil fällen über Palästina. Wir wollen Gerechtigkeit und einen ehrlichen Diskurs…“
Fluchtursachen bekämpfen
Auch im Kirchenkreis ergreifen Christinnen und Christen das Wort, mischen sich ein, benennen Unrecht, helfen Menschen in Not, sind als Kirche und Diakonie solidarisch mit den Schwachen und Bedrängten. Ganz praktisch helfen Menschen in den Gemeinden und Diensten durch Sprachkurse, Begleitung und Betreuung von Flüchtlingen, sie geben Raum und schaffen Begegnungen. Eine Selbstverständlichkeit, wie der vor einem Jahr gewählte Flüchtlingsbeauftragte des Kirchenkreises, Pfarrer Dirk Ochtrup findet: „Wenn wir unserem christlichen Auftrag gerecht werden wollen, müssen wir uns konkret kümmern!“ Doch nicht nur die Menschen, die im Ennepe-Ruhr-Kreis angekommen sind, wollen die Mitglieder des AK Flüchtlingshilfe im Blick behalten: „Wir finden es wichtig, zur Lage grundsätzlich Stellung zu beziehen.“ Ohne Gegenstimme unterstützt die Synode ein Positionspapier, in dem eine Nachfolge für das Seenotrettungsprogramm Mare Nostrum gefordert wird. Außerdem fordert der Kirchenkreis mehr legale Wege für Schutzsuchende, legale Einreisemöglichkeiten in die EU für Arbeitsmigranten, Alternativen zum problematischen Dublin-System sowie vor allem eine Unterstützung der Herkunftsländer der Flüchtlinge, in denen es an politischer und wirtschaftlicher Ordnung fehlt, um so die Fluchtursachen zu bekämpfen.
Mit ihrer Arbeit im MÖWe-Ausschuss kann Monika Tjarden dieses Positionspapier nun in den kommenden vier Jahren mit Leben füllen helfen – so wie Dr. Christina Patzig als Diakoniepresbyterin mit darüber entscheidet, welche sozialen Schwerpunkte „ihre“ Kirche setzen soll. Und so wie Rieke Kiffmeyer sich erfolgreich für Frauenthemen einsetzen konnte. Mit einem Blick auf den – mit Frauen und Männern gleichermaßen besetzten – Kreissynodalvorstand verabschiedet sie sich sichtlich zufrieden: „Wir haben viel erreicht.“
Nicole Schneidmüller-Gaiser (Text und Fotos)
Möge die Straße Dir entgegeneilen.
Möge der Wind immer in Deinem Rücken sein.
Möge die Sonne warm auf Dein Gesicht scheinen
und der Regen sanft auf Deine Felder fallen.
Und bis wir uns wiedersehen,
halte Gott Dich im Frieden seiner Hand.
Irischer Segenswunsch