Den Sommer 2015 werden wohl die meisten von uns nicht vergessen. Da sind Bilder, die sich kollektiv in unser Gedächtnis gebrannt haben. Die hilflose Kanzlerin, die einem weinenden Mädchen zu erklären versucht, warum es richtig ist, dass es abgeschoben werden soll. Griechische Strände, die Tag für Tag unter hunderten von gelben Schwimmwesten verschwinden. Ein kleiner syrischer Junge, der wie ein Stück Treibholz an Land gespült wird. Er wurde nur vier Jahre alt.
Hunderte, an manchen Tagen tausende kamen nun. Ich sehe noch die Menschenkarawane, die sich durch idyllische Bergdörfer zieht. Sie kamen in lächerlich kleinen Schlauchbooten über das Mittelmeer, viele ertranken dabei. Manche erstickten in Autos, die sie durch die schon abgeriegelten Länder im Osten Europas bringen sollten. Die Glücklicheren kamen mit dem Zug – und wurden, zur Be- und Verwunderung der ganzen Welt, von winkenden Menschen willkommen geheißen. In diesen Tagen war ich stolz auf unser Land. So viele von uns taten in diesen Wochen und Monaten, was das Herz ihnen vorgab: Anpacken und helfen.
Die Kanzlerin machte uns Mut: Wir schaffen das. Vielleicht spürte sie da so eine protestantische Entschlossenheit in sich – hier stehe ich und kann nicht anders, ich folge meinem Herzen und tue, was getan werden muss. Auch in der Bibel gibt es so einen Mutmach-Satz: „Das alles kann ich durch Christus, der mir Kraft und Stärke gibt“, heißt es in Philipper 4, 13.
In meiner Freizeit laufe ich. Die langen Strecken. Zu behaupten, ein Marathon wäre das pure Vergnügen, wäre wohl gelogen. Es gibt die Kilometer, die wehtun. Die Berge und Steigungen, wo man sich fragt: Warum tue ich mir das an? Zwei Jahre Flüchtlingshilfe sind eine lange Zeit – und natürlich gab es nicht nur tolle Begegnungen, nicht nur dankbare Menschen und tiefe Freundschaften. Es gab auch Enttäuschungen und Aggressionen, es gab die Silvesternacht 2015/16, es gibt verblendete Terroristen.
In meiner kleinen, überschaubaren Welt hat sich manches neu sortiert. Insgesamt ist mein Leben reicher geworden – durch die Menschen, die neu in mein Leben gekommen sind und durch die Menschen, die schon da waren. Von wenigen Hetzern habe ich mich getrennt – doch dafür lernte ich so manchen Freund von einer neuen Seite kennen. Und die vielen glücklichen Momente, das Lachen und Erzählen mit alten und neuen Freunden, und die tiefe Dankbarkeit, die ich heute in meinem sicheren, beschützten Leben empfinde – die lassen mich weitermachen.
„Flüchtlingsrechte sind Menschenrechte“ heißt das Motto am diesjährigen Tag des Flüchtlings. Darauf zu achten, dass diese Rechte nicht beschnitten werden, ist unser aller Pflicht als Christen – auch um unser selbst willen. Denn es ist vor allem unser Land, unsere Gemeinschaft, die freundlich und hilfsbereit bleiben soll – und darum wehre ich mich dagegen, dass Menschen- und Grundrechte beschnitten oder bis an die Grenzen eines gerade noch rechtsstaatlichen Verständnisses ausgehöhlt werden sollen. Und auch das tue ich auch als Christin. Denn in Matthäus 7,12 heißt es: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten." Amen!
Nicole Schneidmüller-Gaiser
Möge die Straße Dir entgegeneilen.
Möge der Wind immer in Deinem Rücken sein.
Möge die Sonne warm auf Dein Gesicht scheinen
und der Regen sanft auf Deine Felder fallen.
Und bis wir uns wiedersehen,
halte Gott Dich im Frieden seiner Hand.
Irischer Segenswunsch