Menschen gehen auf Abstand – und rücken doch zusammen

16.03.2020 – Wie die Gemeinden im Kirchenkreis den Alltag in Corona-Zeiten organisieren

Corona hat unseren Alltag fest im Griff. Nahezu stündlich gibt es neue Nachrichten, Einschränkungen, Regelungen. Davon sind natürlich auch die Gemeinden im Kirchenkreis Hattingen-Witten betroffen. Veranstaltungen, Treffen, Fahrten werden abgesagt; am Wochenende fanden nur noch wenige Gottesdienste statt. „An ein Gemeindeleben, wie wir es kennen, ist momentan nicht zu denken“, weiß natürlich auch Superintendentin Julia Holtz – und versucht, in der Flut der sich überschlagenden Nachrichten, Rundschreiben und Vorschriften den Überblick zu bewahren.

Im Strudel der Ereignisse ist dabei manche Info-Mail überholt, bevor der Empfänger sie gelesen hat – weil etwa aus einer landeskirchlichen Empfehlung eine kommunale Anordnung geworden ist. So gab es zum Wochenende noch den dringenden Rat an die Pfarrerinnen und Pfarrer, bei einem Todesfall auf die Hinterbliebenen einzuwirken, dass Beisetzungen eher „im familiären Kreis“ stattfinden sollten – mittlerweile hat beispielsweise die Stadt Hattingen unmissverständlich formuliert, dass maximal fünf Angehörige und das notwenige „Personal“ in Trauerhallen und auf Friedhöfen zusammenkommen dürfen.

„Die Bestattungen machen uns zu schaffen, durch die Einschränkungen auf den Friedhöfen ist gerade erhöhter Seelsorgebedarf“, weiß Michael Waschhof, Pfarrer in Wengern, wie zusätzlich belastend die Hinterbliebenen den Hygieneschutz empfinden. Sein Kollege Bodo Steinhauer aus Winz-Baak hat ganz pragmatisch Monoblockstühle auf den Friedhof geschafft und am Grab aufgestellt – „damit dann, mit entsprechendem Abstand, vielleicht doch mehr als fünf Personen teilnehmen können.“

Dass die Gottesdienste am Sonntag abgesagt werden mussten, war für die Kirchengemeinde in Nierenhof zumindest technisch keine große Herausforderung: Per Livestream überträgt die Gemeinde schon lange den sonntäglichen Gottesdienste für all diejenigen, die nicht in die Kirche kommen können – bei YouTube hat der Kanal schon 211 Abonnenten. Vermutlich werden es in den kommenden Wochen ein paar mehr. Auf der Homepage heißt es dazu: „Wir möchten natürlich dazu beitragen, dass die Weiterverbreitung der Infektion eingedämmt wird und ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen geschützt werden – und lassen uns dabei von dem Bibelwort leiten: Suchet der Stadt Bestes! (Jeremia 29, 7).“

Die Martin-Luther-Gemeinde in Witten nahm Corona zum Anlass, es ebenfalls mal mit digitaler Verkündigung zu probieren: „Unser erster Online-Gottesdienst soll die Menschen ermutigen und zeigen, was wir von Jesus in schwierigen Zeiten lernen können.“ Auf Facebook sowie ebenfalls bei YouTube konnten die Gläubigen dem Experiment zeitversetzt beiwohnen. Die Organisatoren sind zufrieden.

In Witten-Stockum – wie auch in Bommern, Wengern und in vielen anderen Gemeinden - bauen Pfarrerin Aletta Dahlhaus und einige Mitstreiter*innen gerade via Facebook ein Hilfsnetz auf. Zudem produziert sie einen täglichen „Gemeindebrief zum Mitnehmen“, der online auf die Homepage gesetzt und – ganz handfest – an den Zaun der Kirchengemeinde gehängt wird. „Mittags sitze ich von 12 bis 13 Uhr für Gespräche in der Kirche, ansonsten ist das Telefon immer in der Nähe“, beschreibt sie ihren Gemeindealltag in Zeiten von verordneter Distanz.

Birgit Crone und Angelika Arend, die Geschäftsführerinnen des Trägerverbundes Ev. Kindergärten im Kirchenkreis Hattingen-Witten, stehen schon seit Tagen in ständigem Kontakt mit den Eltern, aber auch mit den Mitarbeitenden. Seit dem Wochenende ist klar: Die Kitas bleiben geschlossen – doch für die Kinder einiger Berufsgruppen müssen Betreuungsmöglichkeiten eingerichtet werden, damit etwa Ärztinnen, Pfleger oder Polizistinnen ihren Aufgaben nachkommen können. Wer zu diesen „Schlüsselpersonen“ zählt, wie man seinen Bedarf anmeldet – und wohin man seine Kinder bringen kann – all das muss koordiniert und zeitnah kommuniziert werden. Auf der Homepage des Kirchenkreises ( www.kirche-hawi.de) gibt es dazu den jeweils aktuellen Stand.

Wer nicht zu den Schlüsselpersonen zählt, muss in Zeiten wie diesen selber aktiv werden. In Stockum haben sich beispielsweise befreundete Familien, die sich über die Kirche kennen, zusammengeschlossen. „Morgens sind die Kinder bei uns, nachmittags drüben“, beschreibt Pfarrerin Dahlhaus. „So können drei Elternteile halbwegs normal arbeiten und die vierte – also ich – drum herum.“

Kirchenkreis-Fundraiserin Diane Sinter, die auch im Sekretariat der St. Georgs-Kirchengemeinde tätig ist, hat schon in der vergangenen Woche vorgesorgt – und nicht nur für sich selber einen Homeoffice-Platz eingerichtet, sondern auch für den Sohnemann. Seite an Seite „arbeiten“ die beiden nun von zu Hause – und während die Hattinger Gemeindesekretärin Mails und Anfragen beantwortet, spielt der Nachwuchs LEGO Star Wars auf dem iPad, „wenn er nicht gerade, wie jetzt, mit Blockflöte und Tamburin durchs Arbeitszimmer marschiert.“ Und während die Pfarrer Nachbarschaftshilfe-Ringe organisieren, sorgt sie von zu Hause aus dafür, dass die Menschen in Verbindung bleiben. „Das Redebedürfnis der Leute ist am Telefon gerade jetzt höher als sonst - denen ist langweilig.“ Es zeige sich aber auch die Kernkompetenz von Kirche: „Wir können Menschen mobilisieren und haben die Strukturen dazu.“

Möge die Straße Dir entgegeneilen.
Möge der Wind immer in Deinem Rücken sein.
Möge die Sonne warm auf Dein Gesicht scheinen
und der Regen sanft auf Deine Felder fallen.
Und bis wir uns wiedersehen,
halte Gott Dich im Frieden seiner Hand.
Irischer Segenswunsch

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