Pfarrerin Annette Krüger und der Ruhestand

13.10.2023 – Wenn das mal klappt!

Pfarrerin Annette Krüger wird am 21. Oktober in den Ruhestand verabschiedet. Wenn Sie sie kennen, werden Sie jetzt wahrscheinlich denken: „Na, wenn das mal klappt mit der Ruhe!“ Jetzt sitzt sie jedenfalls gerade erst einmal zum Interview im Küsterladen und nimmt sich Zeit für eine kleine Rückschau zum großen Anlass. In Schalksmühle sei sie aufgewachsen, in Hagen zur Schule gegangen, „und komplett kirchlich sozialisiert: Kindergottesdiensthelferin, Jungscharleiterin. Ich hab bei Konfi-Freizeiten mitgearbeitet und war beim CVJM aktiv“, erzählt sie. Lacht, strahlt, erzählt weiter. Dass sie zuerst noch vom Elternhaus aus in Wuppertal an der Kirchlichen Hochschule studiert hat, dann in Bonn, Göttingen und Münster war, und zum Examen wieder zurückgekehrt ist nach Wuppertal. „Aber das ist alles überhaupt nicht wichtig!“, meint sie.

Pfarrerin Annette Krüger, die in 37 Jahren im Kirchenkreis Hattingen-Witten an vielen verschiedenen Stellen tätig war, geht Ende Oktober in den Ruhestand.

Wichtig, das stellt sich schnell heraus, ist ihr etwas anderes: Ihre Karriere als Theologin verläuft während ihres gesamten Berufslebens parallel zur einer neuen Rolle, die Frauen in der evangelischen Kirche finden. Die müssen sie sich in alt hergebrachten Strukturen erst einmal erkämpfen, was zaghaft anfängt, als Krüger noch im Studium ist. „Professorin Hannelore Erhardt hat mich in Göttingen angefixt, feministische Theologie in den Blick zu nehmen. Im Vikariat war ich die Einzige, die eine weibliche Mentorin hatte! Dabei waren wir 44 Leute im Kurs, davon sieben Frauen.“ Das Vikariat machte sie von 1983 bis 1986 im Dortmunder Vorort Aplerbeck.

Von feministischer Theologie war während Krügers Studium „noch nicht sehr viel zu hören“, meint sie. „Auf Kirchentagen allerdings gab es schon Veranstaltungen mit Dorothee Sölle und Elisabeth Moltmann-Wendel“. Für sie selbst ging es jetzt mit dem nächsten Schritt im Beruf weiter, dem Hilfsdienst in Hattingen St. Georg ab April 1986. „Mein Mann war zu der Zeit in Witten-Bommern auch im Hilfsdienst. Und weil wir ohne Heirat nicht zusammen ins Pfarrhaus ziehen durften, haben wir in dem Jahr geheiratet“, erzählt die Pfarrerin mit einem Schmunzeln.

Ab Mitte 1987 teilen sich Krügers schließlich die Pfarrstelle in Bommern. „Zu der Zeit gab es im Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises nur eine einzige Frau. Aber es gab eine Basisbewegung: Frauen wollten gesehen werden. Ab 1988 schwappte die Frauenbewegung in die Kirche, und 1989 beschloss der Kirchenkreis, ein Frauenreferat einzurichten“, skizziert Pfarrerin Krüger die weitere Entwicklung. Sie nahm, obwohl ihr die Gemeindearbeit viel Spaß machte, die Arbeit im neu gegründeten Referat auf. „Viele einflussreiche Frauen haben sich damals dafür stark gemacht, dass Frauen mehr in der Kirche vorkommen. Beim damaligen Superintendenten Ernst Voßwinkel haben sie damit offene Türen eingerannt.“

Wenn Annette Krüger von den darauffolgenden Jahren erzählt, muss man sich kurz vergegenwärtigen, dass diese Dinge erst drei Jahrzehnte her sind. Krüger: „Das Ehrenamt war immer schon hauptsächlich weiblich, aber eben nicht auf den Leitungsebenen.“ Also machte das Frauenreferat viele Angebote, um Frauen in allen Lebensbereichen zu stärken. Auf der ganz praktischen Seite gab es Bewerbungstrainings speziell für Frauen, Schlagfertigkeit und Rhetorik wurden in eigenen Seminaren vermittelt. Auf der anderen Seite wurden gesellschaftliche, politische und kirchenpolitische Themen in den Blick genommen – alles vor dem Hintergrund dessen, was in der Bibel erzählt wird. So entwickelten sich neue Formen der Spiritualität: „Es war uns nicht genug, Predigten passiv anzuhören“, erinnert sich Annette Krüger. „Wir haben gemeinsam theologische Themen erarbeitet, und zwar indem wir uns vorgestellt haben, wie das zum Beispiel war, als Jesus die gekrümmte Frau in der Synagoge zu sich gerufen hat.“ Krüger lässt gleich ein ganzes Bild vor dem geistigen Auge entstehen: „Da ist das Innere der Synagoge. Die Männer im Hauptraum, die Frauen weiter hinten, an den Seiten, oben. Und da ruft Jesus ausgerechnet diese gekrümmte Frau zu sich, also in den Teil, der den Männern vorbehalten war, um mit ihr zu sprechen. Wie hat die sich wohl gefühlt? So haben wir angefangen, die Bibel zu lesen.“

Zur Bedeutung der Bibel sagt Krüger: „Das, was in der Bibel steht, ist unser Alltag. Daraus kann ich etwas schöpfen, was für mich relevant ist. Ich predige unheimlich gerne!“ Da ist es dann auch wieder, das Strahlen. Sie changiert immer hin und her zwischen dieser offensichtlichen Freude und der großen Ernsthaftigkeit, mit der sie von all den Entwicklungen erzählt, die sich während ihres Berufslebens ergeben haben und an denen sie teilhaben konnte. Sie bekommt viel Feedback zu ihren Predigten, Veranstaltungen und den Morgenandachten, die sie seit 2011 für das WDR-Radio macht. Manche Rückmeldung kommt direkt nach dem Gottesdienst, vieles aber auch erst viel später, und manchmal ergeben sich Seelsorgegespräche daraus. „Zuhören ist so wichtig“, sagt sie, und denkt an Hiob: „Als es ihm richtig schlecht geht, kommen seine drei Freunde und schweigen. Die hatten keine Patentrezepte. Einfach Zuhören ist wichtig.“

Eine der Sachen, die sie auch nach ihrer Entpflichtung aus dem Pfarrdienst ehrenamtlich weitermachen will, sind ihre Fahrten mit Frauengruppen, die sie seit dem Jahr 2000 organisiert. Dabei schaut sich die Gruppe zum Beispiel die Geschichte einer Stadt ganz bewusst aus der Frauenperspektive an. Wie war das Leben der Frauen in dieser Stadt früher, und welchen Beitrag haben sie zu der Geschichte geleistet? Bei der Organisation in den Städten hat Krüger gern auf ein Netzwerk namens „Miss Marples Schwestern“ zurückgegriffen, in dem sich Frauen genau zu diesen Fragen zusammengeschlossen hatten.

Seit 2011 war Annette Krüger als Synodalpfarrerin für Hattingen-Witten zuständig. Dazu gehörte erst einmal die Organisation der umfassenden Visitation des Kirchenkreises durch die Landeskirche im selben Jahr, und dann alles, was Synode, Pfarrklausuren etc. hieß und für den Kirchenkreis organisiert werden musste. Vor sieben Jahren kam die Tätigkeit in Welper-Blankenstein hinzu, und sie hat „die Gemeindearbeit wieder richtig gerne gemacht“. Und schon strahlt sie wieder.

Den Veränderungen, die in der Kirche und ihren Gemeinden anstehen, blickt sie mit ihrer ernsten, aber auch mit der strahlenden Seite entgegen: „Ich glaube, dass die Gemeinden das, was sie gut können, dann noch besser machen werden. Jede Gemeinde hat ihren Schwerpunkt“, sagt sie bezüglich kommender Zusammenarbeit über die formalen Grenzen der jetzigen Gemeinden hinweg.

Und die eigene Zukunft? „Ich hab unheimlich gern Gäste! Ich werde häufiger Gäste zum Spielen und Essen einladen. Und mehr lesen. Ach, erstmal kommen lassen. Ich hab mir noch nicht viel vorgenommen“, sagt sie. Dann fällt ihr allerdings noch ein, dass sie mit der ebenfalls in den Ruhestand gegangenen Pfarrerin Marianne Funda für nächstes Jahr im ehemaligen Kloster Busfelde ein Wochenende organisiert: „Gottes Atem mitten in mir – ein Wochenende zum Innehalten und Kraftschöpfen“. Und dann gibt es ja die oben beschriebenen Fahrten. Und die Frauensalons, die sie schon seit 2006 immer gemeinsam mit anderen organisiert. Und vielleicht noch ein paar andere Aktivitäten, denn: „Ich find schön, dass ich mir jetzt aussuchen kann, was ich mache!“

Pfarrerin Annette Krüger wird am 21. Oktober um 16 Uhr im Paul-Gerhardt-Haus in Hattingen-Welper von Superintendentin Julia Holtz vom Pfarrdienst entpflichtet.

(hmj)

Möge die Straße Dir entgegeneilen.
Möge der Wind immer in Deinem Rücken sein.
Möge die Sonne warm auf Dein Gesicht scheinen
und der Regen sanft auf Deine Felder fallen.
Und bis wir uns wiedersehen,
halte Gott Dich im Frieden seiner Hand.
Irischer Segenswunsch

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